SARS-CoV‑2 / COVID-19 – die wichtigsten Informationen von einem Virologen

Eine der Fra­gen, die uns der­zeit alle umtreibt ist, was es mit dem Virus SARS-CoV‑2 auf sich hat, das die Krank­heit COVID-19 aus­lö­sen kann. Unser SPD Mit­glied Dr. Phil­ipp Kolb ist Viro­lo­ge an der Uni­kli­nik Frei­burg und hat uns zum The­ma auf unse­rer letz­ten öffent­li­chen Sit­zung umfas­send infor­miert. Wir möch­ten die­se Infor­ma­tio­nen mit unse­ren Lesern tei­len:

Was ist ein Coronavirus?

Coronavirus
Abb.1 Sche­ma eines Coro­na­vi­rus‘, RNA steht für Ribo­nu­kle­in­säu­re, Trä­ge­rin der Erb­infor­ma­ti­on des Viru­s­es; Bild­quel­le

Coro­na­vi­ren sind Viren der Fami­lie Coro­na­vi­ri­dae. Sie besit­zen eine Hül­le aus Lipi­den. Die Hül­le hat Aus­stül­pun­gen, die unter dem Mikro­skop ähn­lich aus­se­hen, wie die Strah­len der Son­nen­ko­ro­na, daher ihr Name.

Coro­na­vi­ren kön­nen ver­schie­de­ne Wir­bel­tie­re befal­len und bei ihnen unter­schied­li­che Erkran­kun­gen aus­lö­sen. Beim Men­schen sind es meist Atem­wegs­er­kran­kun­gen.

Was ist das SARS-CoV‑2 Virus?

SARS-CoV‑2 ist ein Coro­na­vi­rus, das sehr ähn­lich zu einem bekann­ten Virus ist. Die Ärz­te aus Wuhan, die das Virus iden­ti­fi­ziert und klas­si­fi­ziert haben, haben in ihrer Ver­öf­fent­li­chung SARS-CoV‑2 gemäß Abb.2 in die Viren­fa­mi­lie ein­ge­ord­net.

Klassifikation der Coronaviren
Abb. 2. Klas­si­fi­ka­ti­on der Coro­na­vi­ren, SARS-CoV‑2 (rote Schrift) wird hier noch bezeich­net als „2019-nCoV“; Bild­quel­le

Man sieht, dass es meh­re­re SARS-CoV‑2 Viren gibt, die sehr eng ver­wandt sind mit dem bekann­ten Virus „Bat CoV RaTG 13“, aber auch ver­wandt mit dem Viren, die die Krank­hei­ten SARS und MERS aus­lö­sen (in Abb. 2 rot umran­det). Eine Ver­wandt­schaft sagt jedoch nichts dar­über aus, wel­che Tie­re die Viren befal­len kön­nen noch wel­che Krank­hei­ten sie aus­lö­sen kön­nen.

SARS steht für seve­re acu­te respi­ra­to­ry syn­dro­me (schwe­res, aku­tes, respi­ra­to­ri­sches Syn­drom) und wird daher auch für die aktu­el­le Krank­heit ver­wen­det, denn das beschreibt die Aus­wir­kun­gen gut. Fle­der­tie­re sind häu­fig der Reser­voir­wirt für Coro­na­vi­ren (daher der Namens­prä­fix „Bat“). Durch Kon­takt mit Fle­der­tie­ren gelangt das Virus zu poten­ti­el­len Wirts­tie­ren. Ob sich ein Virus in einer ande­ren Art aus­brei­ten kann, hängt von des­sen Erb­gut ab. Daher kann ein Virus nicht belie­bi­ge Arten befal­len. Durch die hohe Zahl an Muta­ti­on der Viren-RNA (zufäl­li­ge Ver­än­de­rung im Erb­gut) kann die­se Arten­bar­rie­re über­wun­den wer­den. Da dies ein zufäl­li­ger Pro­zess ist, kann man jedoch nicht vor­her­sa­gen wann, zu wel­chem Tier und ob es ein Virus jemals schafft. Wie man in Abb. 3 sieht, kann das SARS-CoV‑2 z.B. Schwei­ne befal­len, nicht jedoch Mäu­se.

Rot gefärbt sind von SARS-CoV befallene Zellen
Abb. 3 Rot gefärbt sind von SARS-CoV befal­le­ne Zel­len; Bild­quel­le

Durch Kon­takt zwi­schen Mensch und Tier kann ein Virus also durch Muta­ti­on den Sprung zum Men­schen schaf­fen. Bei der Krank­heit SARS geht man davon aus, das es über den Lar­ven­rol­ler auf den Men­schen über­ging, bei MERS ist das Dro­me­dar das wahr­schein­lichs­te Tier, bei SARS-CoV‑2 scheint der wahr­schein­lichs­ter Über­trä­ger das Chi­ne­si­sche Schup­pen­tier zu sein, das durch den Men­schen vom Aus­ster­ben bedroht ist. Die genau­en ers­ten Über­gän­ge kann man jedoch nicht exakt auf­klä­ren.

Was sind die Auswirkungen?

Wie der Name sagt, schafft Wis­sen­schaft Wis­sen. Da es ein neu­es Virus ist, ist die Erfor­schung noch in vol­lem Gang. Aus­sa­gen wie z.B. zur Sterb­lich­keit sind daher Spe­ku­la­ti­on! Vie­le Tau­send Men­schen haben sich bereits mit dem Virus infi­ziert, jedoch ent­wi­ckeln nicht alle über­haupt Sym­pto­me. Die bekann­ten Fäl­le sind daher nur die, die Sym­pto­me ent­wi­ckelt haben, dann auch zu einem Arzt gegan­gen sind und dort wie­der­um mit­tels der Metho­de PCR getes­tet wur­den, ob sie die RNA des Virus‘ in sich tra­gen. Daher kann man davon aus­ge­hen, dass die Ver­brei­tung der Krank­heit COVID-19 deut­lich grö­ßer ist, als die bekann­ten Fäl­le.
Was man bis­her zu den Ver­läu­fen weiß kann man in die­sen Stich­punk­ten zusam­men­fas­sen:

  • Je älter die Pati­en­ten sind, des­to schwe­rer ist der Krank­heits­ver­lauf – bis hin zum Tod. Kin­der ent­wi­ckeln oft kaum Sym­pto­me.
  • Die meis­ten Todes­fäl­le und schwe­re Ver­läu­fe gab es bei Men­schen mit schwa­chem Immun­sys­tem, ent­we­der durch ihr Alter oder durch ande­re Erkran­kun­gen
  • Eine Dop­pel­in­fek­ti­on mit ande­ren Krank­heits­er­re­gern (Viren und Bak­te­ri­en) ist kri­tisch
  • Für Men­schen mit intak­tem Immun­sys­tem und ohne Vor­er­kran­kun­gen, ver­läuft COVID-19 in etwa wie eine Grip­pe.
  • Die typischs­ten Sym­pto­me sind
    • Fie­ber (90% der bekann­ten Fäl­le mit Sym­pto­men; Quel­le)
    • Tro­cke­ner Hus­ten (70%)
  • Jeder Pati­ent hat einen ande­ren Krank­heits­ver­lauf und auch ande­re Sym­pto­me (oder gar kei­ne)

Wie kann man sich anstecken?

Nach aktu­el­lem Wis­sens­stand erfolgt die Über­tra­gung haupt­säch­lich durch Tröpf­chen, wie sie beim Nie­sen ent­ste­hen. Die Viren brau­chen zum Über­le­ben, leben­de Zel­len. Allein kön­nen sie bis zu 9 Tage nach­ge­wie­sen wer­den. Wie lan­ge genau, hängt von der Ober­flä­che, Luft­feuch­te und der Tem­pe­ra­tur ab.
Das heißt jedoch nicht, dass man sich an die­sen Ober­flä­chen noch anste­cken kann, denn die Schmier­in­fek­ti­on spielt eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Sie kann aber auch nicht aus­ge­schlos­sen wer­den. Z.B. wenn jemand in sei­ne Hand niest, die­se dann jeman­dem zur Begrü­ßung gibt und sich der Begrüß­te inner­halb der nächs­ten Minu­ten an sei­ne Schleim­häu­te fasst (Nase oder Mund). Direkt über die Haut kann das Virus nicht über­tra­gen wer­den.

Wie kann man sich schützen?

Um sich zu schüt­zen, ist es am effek­tivs­ten zu Per­so­nen, die Krank­heits­sym­pto­me wie Fie­ber oder tro­cke­nen Hus­ten haben, 3 Meter Abstand zu haben. (Update: das Robert-Koch-Insti­tut hält 1–2 m für aus­rei­chend.) Dies ist die Distanz, über die Tröpf­chen beim Nie­sen im Extrem­fall ver­teilt wer­den kön­nen. Es ist daher uner­heb­lich, ob man in einer grö­ße­ren Men­schen­men­ge ist oder nicht – ist man zu nah an einer kran­ken Per­son und die­se niest, kann man sich leicht infi­zie­ren.
Lüf­tungs­an­la­gen wie z.B. in Flug­zeu­gen haben mit­un­ter so gute Fil­ter, dass Zel­len und Viren aus der Luft gefil­tert wer­den. Im Flug­zeug oder im Zug steckt man sich daher eher nicht durch die Lüf­tung an, son­dern durch Kon­takt mit einem Kran­ken.

Ansons­ten gilt, wie bei allen anste­cken­den Krank­hei­ten, dass man sei­ne Hän­de regel­mä­ßig mit Sei­fe wäscht. Sei­fe löst die Lipidhül­le der Viren auf und ist daher für Viren ein sehr effek­ti­ves Des­in­fek­ti­ons­mit­tel. Man kann Ande­ren die Hän­de geben, muss jedoch dar­auf ach­ten, sich nicht an die Nase oder den Mund zu fas­sen. Ein Papier­ta­schen­tuch als Bar­rie­re zwi­schen Hand und Nase senkt das Risi­ko.

Es gibt kei­ne Imp­fung gegen das SARS-CoV‑2 Virus.
Imp­fun­gen sind jedoch gene­rell sinn­voll, um mög­li­che Dop­pel­in­fek­tio­nen zu ver­rin­gern. Für die aktu­el­le Krank­heits­wel­le sind Imp­fun­gen wahr­schein­lich zu spät, da der Kör­per etwas Zeit zum Auf­bau­en des Schut­zes braucht. Für die Zukunft emp­fiehlt es sich, sich gegen Krank­heits­er­re­ger wie Pneu­mo­kok­ken und ande­re Viren imp­fen zu las­sen. Es geht dabei nicht nur um einen selbst, son­dern um den Schutz von Schwä­che­ren, z.B. den eige­nen Kin­dern und (Groß)Eltern. Es gibt kei­nen Grund sei­ne Lie­ben dem Risi­ko z.B. einer Masern­in­fek­ti­on aus­zu­set­zen, egal ob gera­de Grip­pe­sai­son ist, oder neu­ar­ti­ge Viren gras­sie­ren!

Häufig gestellte Fragen

  • Soll ich mich mit Alko­hol oder Chlor ein­sprü­hen? -> Nein, Viren drin­gen nicht über die Haut ein
  • Soll ich dann Mund oder Nase mit Alko­hol spü­len? -> Nein, rich­tet mehr Scha­den als das Virus
  • Kann ich Post aus Chi­na emp­fan­gen? -> Ja, denn das Virus über­lebt den Trans­port nicht
  • Kön­nen Haus­tie­re COVID-19 ver­brei­ten? ->  Bis­her kei­ne Bewei­se dafür
  • Schüt­zen Imp­fun­gen? -> Es gibt kei­ne Imp­fung gegen COVID-19, aber gegen Dop­pel­in­fek­tio­nen
  • Kön­nen Nasen­spü­lun­gen vor­beu­gen? -> Nein
  • Kön­nen bestimm­te Lebens­mit­tel vor­beu­gen? -> Nein
  • Hel­fen Anti­bio­ti­ka? -> Anti­bio­ti­ka hel­fen gene­rell nicht gegen Viren, aber wer­den meist zur COVID-Behand­lung ver­ab­reicht um Dop­pel­in­fek­tio­nen mit Bak­te­ri­en zu ver­hin­dern
  • Gibt es bald eine Imp­fung? -> Nein. Eine ers­te kli­ni­sche Pha­se star­tet even­tu­ell schon im April, aber bis zu einem gut getes­te­tem Impf­stoff dau­ert es Jah­re
  • Sind Kin­der gefähr­de­ter als Erwach­se­ne? -> Nein, im Gegen­teil

Welchen Informationen kann man vertrauen?

Man muss sich klar machen, dass sich schlech­te Nach­rich­ten bes­ser ver­kau­fen als gute. Daher sind jour­na­lis­ti­sche Infor­ma­tio­nen nicht immer objek­tiv und nüch­tern. Objek­ti­ve und aktu­el­le Infor­ma­tio­nen zum Stand der Wis­sen­schaft fin­det man z.B. auf den Sei­ten die­ser Orga­ni­sa­tio­nen:

Sind die Maßnahmen gegen COVID-19 angemessen?

Nach aktu­el­lem Stand der Wis­sen­schaft ist COVID-19 eine ähn­lich schwe­re Krank­heit wie die Grip­pe. An Grip­pe ster­ben je nach Sai­son allein in Deutsch­land tau­sen­de Men­schen, z.B. in der Sai­son 2014/2015 ca. 21.300 (Quel­le). Auch bei der Grip­pe ster­ben vor allem geschwäch­te Pati­en­ten. Gegen aktu­ell zir­ku­lie­ren­de Grip­pe­vi­ren gibt es jedes Jahr einen neu abge­stimm­ten Impf­stoff. Man kann sich, und damit auch sei­ne Mit­men­schen (Fami­lie, Freun­de) daher recht gut gegen Grip­pe schüt­zen. Dies ist gene­rell emp­foh­len, denn wer die Grip­pe und COVID-19 gleich­zei­tig bekommt, hat schlech­te Kar­ten. Gegen COVID-19 gibt es kei­nen Schutz.

Coronavirus Patienten in China
Abb.4 Anzahl der Coro­na­vi­rus-Pati­en­ten in Chi­na; Bild­quel­le

Die Behör­den kön­nen COVID-19 nicht auf­hal­ten, nur ihre Ver­brei­tung ver­lang­sa­men. Einer­seits, um den Medi­zi­nern mehr Zeit zur Vor­be­rei­tung und für die For­schung zu geben, ande­rer­seits, um das Gesund­heits­sys­tem am Lau­fen zu hal­ten. Man kann sich leicht vor­stel­len, wie es wäre, wenn 5% einer Stadt am sel­ben Tag erkrankt. Zudem sind Tröpf­chen­in­fek­tio­nen bei Som­mer­wet­ter nicht sehr effek­tiv, weil die Tröpf­chen dann schnel­ler zer­fal­len. Daher ist der Win­ter die Grip­pe­ze­it. Man erwar­tet des­we­gen bei wär­me­rem Wet­ter gerin­ge­re Infek­ti­ons­ra­ten.
Nimmt man den zeit­li­chen Ver­lauf von COVID-19 in Chi­na als Grund­la­ge (Abb. 4), kann man den Höhe­punkt der Infek­tio­nen in Deutsch­land für April erwar­ten (ca. 1 Monat nach Aus­bruch).

Es ist ein schma­ler Grat für die Behör­den, denn die Abrie­ge­lung gan­zer Groß­städ­te wie in Ita­li­en belas­tet die Wirt­schaft und kann schnell Arbeits­plät­ze kos­ten. Zudem kann man nicht Mil­lio­nen Men­schen davon abhal­ten, sich zu bewe­gen. Wie beschrie­ben, ist es für die Anste­ckung uner­heb­lich, wie vie­le Men­schen um einen her­um sind, solan­ge man in direk­ter Nähe eines Kran­ken ist. Das kann im Sta­di­on, im Büro oder in der Knei­pe sein. Inso­fern kann man Ober­gren­zen für erlaub­te Ver­an­stal­tun­gen und das Abrie­geln von Mil­lio­nen­städ­ten kri­tisch hin­ter­fra­gen.

Kon­se­quen­tes Iso­lie­ren Erkrank­ter ist aber in jedem Fall der rich­ti­ge Weg.

Autor: Dr. Uwe Stöhr

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